Länger planen, schneller fahren

Seit drei Jahren plant das Team des ABS 38 den Ausbau der Strecke München–Mühldorf–Freilassing. Im vergangenen Jahr hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) das Projekt neu bewertet und neue Ziele definiert. So wird im Osten der ABS 38 nun auch der Abschnitt Tüßling–Freilassing zweigleisig ausgebaut, im Westen sollen sich die Reisezeiten verkürzen. Deshalb werden die Züge im 45 Kilometer langen Abschnitt Markt Schwaben–Ampfing künftig bis zu 200 km/h statt 160 km/h schnell fahren.

Bauingenieurin Anna Schindler ist seit zehn Jahren bei der DB und kennt die ABS 38 wie ihre Westentasche. Im Regionalen Projektmanagement von DB Netz hat sie sechs Jahre lang Modernisierungen des Oberbaus geplant, unter anderem in Weidenbach und Dorfen. Seit zwei Jahren arbeitet die 36-Jährige beim Großprojekt ABS 38 und plant die Abschnitte Schwindegg über Weidenbach bis Ampfing (auf der Strecke Markt Schwaben–Ampfing).

Was bedeutet die Geschwindigkeitserhöhung?

Für die Reisenden im Regionalverkehr, darunter viele Pendler, ist das ein enormer Vorteil, denn sie sind schneller zwischen München und Mühldorf unterwegs. Auch die Anbindung nach Salzburg wird besser. Ganz wichtig ist die ABS 38 für das bayerische Chemiedreieck rund um Burghausen: Viele Unternehmen werden ihre Erzeugnisse schneller und kostengünstiger transportieren können. Die Strecke ist auch international an Bedeutung: Sie ist liegt auf dem Rhein-Donau-Korridor und ist somit Teil der Transeuropäischen Netze (TEN).

Seit Januar planen Sie den Streckenausbau für die neue Geschwindigkeit. Was ist zu tun?

Wir waren mit der Entwurfsplanung fast fertig und wollten Ende des Jahres die Unterlagen ins Planfeststellungsverfahren einreichen. Das ist jetzt nicht mehr möglich, wir müssen zurück zur Vorplanung oder zumindest die Planungen überarbeiten. Wir müssen prüfen, in welchen Streckenabschnitten wir die beauftragte Geschwindigkeit erreichen können und dabei Bebauungen, Naturschutzgebiete und technische Bedingungen berücksichtigen.

Was ändern Sie jetzt?

Wir ändern jetzt viele technische Details. Wo die Züge bis zu 200 km/h fahren werden, müssen wir den Sicherheitsraum links und rechts der Strecke jeweils um einen halben Meter verbreitern. Außerdem prüfen wir die Bögen und planen sie gegebenenfalls neu, denn schnellere Züge brauchen größere Radien. Wir schauen also den Trassenverlauf an und klären, ob wir zusätzlich Flächen erwerben müssen. Wenn wir neue Flächen benötigen, müssen wir dort unter anderem Bodengutachten erstellen sowie heimische Tiere und Pflanzen kartieren. Sollte es schützenswerte Arten geben, müssen die eventuell umgesiedelt werden. Außerdem müssen wir Ausgleichsmaßnahmen durchführen, um unsere Eingriffe zu kompensieren. Durch die neue Trasse können sich auch die Bauabläufe ändern. Da liegt viel Arbeit vor uns. Aktuell rechnen wir mit einer Verzögerung von etwa anderthalb Jahren.

Hat die höhere Geschwindigkeit auch Auswirkungen auf den Lärmschutz?

Mit dem breiteren Sicherheitsabstand stehen die Lärmschutzwände weiter weg von der Lärmquelle, also dem Gleis. Ein Gutachter errechnet derzeit, wie genau der Lärmschutz anzupassen ist.

Was ändert sich an den Bahnhöfen?

Die Bahnsteige werden ein wenig breiter, außerdem werden sie mit Lautsprecheranlagen ausgerüstet. Derzeit prüfen wir, ob wir den Bahnhof Weidenbach aus dem Ort hinaus in Richtung Ampfing verlegen. Davon würden die Anwohner profitieren, denn die Lärmbelästigung wäre geringer. Da in Weidenbach im Schnitt nur 23 Fahrgäste am Tag ein- oder aussteigen, soll aus dem Personenbahnhof ein betrieblicher Bahnhof werde. Das war von Beginn an so vorgesehen.

Was sagen die Gemeinden und die Bürger zu der Verzögerung?

Die sind natürlich nicht erfreut, denn Ausbaupläne für diese Strecke gibt es schon sehr lange, jetzt schien es endlich loszugehen. Anfang des Jahres haben wir in einem offenen Brief die Bürger entlang der Bahnstrecke Markt Schwaben–Ampfing über die Verzögerung und die Gründe dafür informiert. Sobald wir Neuigkeiten haben, stellen wir diese in den Gemeinden vor. Meine Kollegen und ich sind fast jede Woche entlang der Strecke unterwegs. Uns liegt an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit, da sind Informationen und Transparenz enorm wichtig.